Theoretische Grundlagen


Alle verwendeten Texte sind Zitate aus dem Schulportal Thüringen entnommen, im Speziellen aus dem folgenden Ratgeber:

Berufs- und Studienorientierung Erfolgreich zur Berufswahl - Ein Orientierungs- und Handlungsmodell für Thüringer Schulen Materialien-Nr. 165

  • Herausgeber: Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien
  • Redaktionsschluss: Dezember 2010
  • Autoren in alphabethischer Reihenfolge: Katja Driesel-Lange, Ernst Hany, Bärbel Kracke, Nicola Schindler
  • Im Anhang der Publikation gibt es:
    • Arbeitsblätter zur individuellen Diagnostik der Berufswahlkompetenz
    • Arbeitsblätter zur Auswertung und Weiterarbeit

Erklärung

Berufswahlkompetenz ist als Bündel spezifischer kognitiver Fähigkeiten, motivationaler Orientierungen und Handlungsfähigkeiten zu sehen, die es einer Person ermöglichen, eine wohlbegründete Entscheidung für eine nachschulische Ausbildung zu treffen sowie sich in wiederkehrenden berufsbiografisch relevanten Situationen zu bewähren.

Dimensionen

Das Augenmerk des Berufswahlkompetenzmodells liegt hingegen auf Kompetenzen, die notwendig sind, um eine Entscheidung für einen Beruf oder für ein Studium zu planen, umzusetzen und zu verantworten. Zentral ist demnach die Fragestellung, was Schüler wissen und können sollten, um solch eine bedeutsame Entscheidung herbeizuführen. Der Entscheidungsprozess ist dabei von der Besonderheit geprägt, dass er auf keinerlei Erfahrungen basiert und sein Erfolg sich erst nach dem Übergang in nachschulische Bildungswege zeigt.

Struktur

Das Berufswahlkompetenzmodell beschreibt vier Phasen, die Personen durchlaufen, die vor der Aufgabe stehen, eine wohlbegründete berufsbezogene Entscheidung zu treffen. Prinzipiell gibt es keine allgemeingültige Dauer für das Durchschreiten dieser Phasen. Es lässt sich auch kein Alter festlegen, in dem der Prozess beginnen oder abgeschlossen sein muss. Mit den Phasen wird allgemein ein Entwicklungsprozess beschrieben, der mehrere inhaltlich voneinander unterscheidbare Schritte von einem ersten Erkennen der Notwendigkeit eigenen Tuns und ersten Einsichten in eigene Interessen und Fähigkeiten bis zur Bewährung in einer neuen Situation, für die man sich entschieden hat, vorsieht.

Die vier Phasen sind:

Einstimmen

Erkunden

Entscheiden

Erreichen

In der ersten Phase steht die Bereitschaft zur Planung der eigenen Zukunft im Mittelpunkt.

Die zweite Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass systematisch Situationen ermöglicht werden, die es erlauben, konkrete Erfahrungen mit der Berufswelt zu machen

In der dritten Phase wird die konkrete Planung des Übergangs zunehmend bedeutsam.

Die vierte Phase fokussiert darauf, dass sich Schüler*innen neuen Kontexten stellen sowie die im Prozess der schulischen Berufsorientierung erworbenen Selbststeuerungskompetenzen erfolgreich anwenden.

Typische Fragen

  • Welche Bedeutung hat Arbeit?
  • Wozu brauche ich einen Beruf?
  • Was kann ich?
  • Was ist mir wichtig für mein Leben?“
 

Typische Fragen

  • Welche Informationen benötige ich über mich selbst bzw. über spezifische Berufe?
  • Wo erhalte ich diese Infor-
  • mationen?
  • Von wem bekomme ich Unter-
  • stützung?
  • Wie kann ich meine Ziele erreichen?“
 

Typische Fragen

  • Welche persönlichen Kriterien habe ich für meine Berufswahl?
  • Wie passen meine Fähigkeiten, Neigungen, Ziele, Wünsche und
  • Werte mit den Anforderungen eines bestimmten Berufs zusammen?
  • Welche Informationen fehlen mir, um eine Entscheidung treffen zu können?“
 

Typische Fragen

  • Wie absolviere ich erfolgreich den Bewerbungs-prozess?
  • Wie gestalte ich die Zeit zwischen dem Abschluss der Schule und dem Beginn der Ausbildung/des Studiums?
  • Was tue ich, wenn ich meinen Wunschberuf/ mein Wunschstudium
  • nicht verwirklichen kann?
  • Wie gehe ich mit Misserfolgen um?
 

 

Berufswahlkompetenz enthält definitionsgemäß kognitive Anteile, die üblicherweise in Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten und Wissen bzw. Können aufgeteilt werden. Fertigkeiten und Können bündeln wir vorwiegend unter der aktionalen Komponente, sodass wir uns hier auf das berufs- und bildungsbezogene Denken, z. B. Erinnern, Vergleichen, Schlussfolgern, Planen und Entscheiden, beschränken.

SelbstwissenKonzeptwissenBedingungswissenPlanungs- und Entscheidungskompetenz
Die Wahl des richtigen Berufs setzt die Kenntnisse der eigenen Stärken und Schwächen sowie der eigenen Wünsche und Ziele voraus.Ohne Wissen über die Arbeits- und Berufswelt kann die Berufswahl nur spekulativ erfolgen.enntnisse über Arbeitsplätze und Berufsfelder, Wirtschaftszweige und Beschäftigungstrends reichen nicht aus, um den eigenen Berufseinstieg längerfristig zu planen und zu gestalten.onzept- und Bedingungswissen sind die Voraussetzungen dafür, um die eigene Entwicklung vorauszudenken und auch in Grenzen vorauszusehen und vorauszuplanen.

Berufswahlkompetente Menschen

kennen die eigenen Stärken und Schwächen sowie die eigenen Bedürfnisse und Ziele, soweit sie für den Arbeits- und Leistungskontext relevant sind. Sie können diese artikulieren und sind in der Lage, selbstrelevante Informationen zu beschaffen und zu verarbeiten.

Der berufswahlkompetente Jugendliche

weiß, was einen Beruf ausmacht, was ein Arbeitsvertrag beinhaltet, wie ein Bewerbungsverfahren verläuft, welche Berufsfelder es gibt, welche Berufe derzeit am Arbeitsmarkt nachgefragt sind, welche Bildungsgänge Schulen und Hochschulen anbieten und welche Qualifikations- und Arbeitsmöglichkeiten in seiner Region bestehen. Er kennt auch die Probleme bei der Berufseinmündung und ist sensibel für Fragen der Diskriminierung.

Berufswahlkompetente Jugendliche

können angeben, was sie unternehmen müssen, um für den Einstieg in ein bestimmtes Berufsfeld qualifiziert zu sein. Sie können darlegen, welche Vorgänge und Möglichkeiten in ihrer aktuellen Lebensphase bedeutsam für ihr Berufsleben sind können darüber reflektieren, welche Folgen sich aus unterschiedlichen Lebenslagen, unterschiedlicher Lebensführung und den Bewegungen im Arbeitsmarkt für die berufliche Entwicklung ergeben.

Der planungs- und entscheidungskompetente Berufswähler

bereitet Entscheidungen systematisch vor, sammelt ausreichend Informationen, legt sich diese Informationen passend zurecht und nimmt eine rationale Bewertung vor. Entscheidungen werden weder zu früh noch zu spät, weder zu weit noch zu eng, weder zu unverbindlich noch zu stark verpflichtend getroffen. Sie sind grundsätzlich revisionsfähig. Getroffene Entscheidungen berücksichtigen die Konsequenzen umfassend und in realistischer Weise. Entscheidungen münden in Planungen der wichtigen Schritte, umfassen einen Zeitplan und eine Selbstverpflichtung auf die Verbindlichkeit der zentralen Vorhaben. Planungen erfolgen detailliert und auf der Grundlage einer Ressourcenbetrachtung.

 

Motivation kann als eine weitere, besonders wichtige Dimension von Berufswahlkompetenz angesehen werden. Die Motivation, sich mit der Frage des eigenen beruflichen Werdegangs oder Lebenszielen zu beschäftigen, stellt eine große Herausforderung dar – insbesondere wenn diese Ereignisse noch in weiter Ferne liegen. Es zeigt sich jedoch, dass Motivation als Voraussetzung für die (schulische) Berufsorientierung essenziell ist. Wir unterscheiden folgende motivationale Aspekte:

 

BetroffenheitEigenverantwortungOffenheitZuversicht

Betroffenheit bedeutet, die eigene (berufliche) Zukunft zu antizipieren und die Bereitschaft, sich mit ihr auseinandersetzen zu wollen, d.h. eine Zukunftsperspektive zu haben und zu erkennen, dass es wichtig ist, darauf vorbereitet zu sein. Diese Dimension ist von zentraler Bedeutung im Berufswahlprozess.

Eigenverantwortung bzw. Kontrolle über das eigene Handeln zu besitzen, bedeutet die Überzeugung, die eigene Zukunft in der Hand zu haben. Charakteristisch sind interpersonelle Autonomie und Willensstärke, die zur Verantwortungs-übernahme für die eigene Lebens- und Berufsplanung führen.

Die Dimension der Offenheit ist definiert als Initiative des Individuums, einerseits berufliche Alternativen zu erforschen und andererseits persönliche Interessen, Fähigkeiten und Werte zu erkunden.

Die tatsächliche Umsetzung der eigenen Wünsche erfordert Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten, mit den Herausforderungen der Berufswahl umgehen zu können.

Ein Bewusstsein für die Aufgabe der Berufswahl zu entwickeln heißt auch, diese als lebenslangen Lernprozess zu begreifen, sich über die Komplexität und die Wichtigkeit der eigenen Laufbahnentwicklung im Klaren zu sein. Das Interesse an der beruflichen Zukunft kann durch zwei Faktoren gefördert werden: durch die Bereitschaft zur Planung der eigenen Zukunft sowie durch eine optimistische Zukunftsperspektive. Die aktive Auseinandersetzung mit den eigenen beruflichen Entwicklungsaufgaben und die Antizipation daraus resultierender zeitnaher und fernerer Entscheidungen erzeugt Planungskompetenz. In Studien konnte gezeigt werden, dass sich Schüler mit hoher beruflicher Planungsaktivität weniger durch Probleme der Berufs- und Studienwahl belastet fühlen. Fehlendes Interesse an der eigenen beruflichen Zukunft hingegen spiegelt sich in Planungslosigkeit und Pessimismus wider.

Dieser Entwicklungsschritt geht mit einer zunehmenden Ablösung vom Elternhaus einher. Jugendliche, die glauben, Kontrolle über ihre berufliche Zukunft zu besitzen, unterscheiden sich von Jugendlichen, die überzeugt sind, dass ihre berufliche Zukunft von Glück oder dem Schicksal abhängt, durch ihre Kontrollüberzeugung („ich bestimme mein Handeln“), ihren Attributionsstil („meinen Erfolg habe ich selbst herbeigeführt“), ihr Durchsetzungsvermögen und ihre Entscheidungskompetenzen und -strategien. Jugendliche, die glauben, keine Kontrolle über ihr Leben zu haben, überlassen oftmals anderen Personen die Entscheidung über ihren Lebensweg. Eigenverantwortung und Kontrolle sind maßgeblich für den Erwerb von Handlungs-, Entscheidungs- und Selbststeuerungskompetenzen verantwortlich.

Im Zentrum dessen steht die Exploration, in deren Ergebnis es zu einer größtmöglichen Übereinstimmung persönlicher und berufsbezogener Merkmale kommt. Auf der Grundlage reflektierter Erfahrungen ist der Einzelne in der Lage, einen Entwicklungsschritt von möglichen, einfachen, naiven Berufsentscheidungen zu einer begründeten Berufswahl-entscheidung zu vollziehen. Das Individuum zeigt Wissbegierde hinsichtlich der Erkenntnis seiner eigenen Person in verschiedenen Handlungszusammenhängen: Der Einzelne nutzt aktiv Gelegenheiten, mit Offenheit neue Erfahrungsräume und damit verbundene neue Rollen zu erkunden und zu reflektieren und damit neues selbst- und berufsbezogenes Wissen zu erwerben. Eine mangelnde Offenheit bzw. Neugier, die mit geringer Explorationsaktivität einhergeht, zieht in der Konsequenz unrealistische Einschätzungen sowohl der eigenen Person als auch der Berufswelt mit ihren Optionen und Anforderungen nach sich.

Vertrauen ist die Voraussetzung dafür, in komplexen Entwicklungs- und Entscheidungsphasen wie der Berufswahl, erfolgreich zu handeln. Es entsteht durch den Erwerb von Problemlösekompetenzen in verschiedenen Lebensbereichen wie Schule, Familie und Freizeit und einer hohen Selbst-wirksamkeit, die durch erfolgreiches Handeln gestärkt wird. Die Förderung von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit sollte vor dem Hintergrund erfolgen, Erfahrungs- und Erlebnisbereiche zu erweitern. Dies gilt besonders im Kontext der stereotypen Beschränkung von Erfahrungen, wie sie beispielsweise durch die Geschlechtszugehörigkeit erfolgt. Ein mangelndes Vertrauen führt zu einer geringen Zielklarheit.

 

Die Vorbereitung der Entscheidung für einen zu den eigenen Bedürfnissen passenden nachschulischen Bildungsweg, sei es eine Berufsausbildung oder ein Studium, erfordert Aktivitäten des Einzelnen. Dazu müssen Informationen gesucht und ausgewertet werden. Dieser Suchprozess muss geplant und durchgeführt, ggf. gegen Ablenkungen abgeschirmt werden, dabei auftretende Probleme müssen überwunden und mögliche Rückschläge konstruktiv bewältigt werden. Im Einzelnen lassen sich die Facetten der Handlungserfordernisse folgendermaßen erläutern:

ExplorationSteuerungProblemlösenStressmanagement

Die Suche nach Informationen, die für eine wohlbegründete Entscheidung für den nachschulischen Bildungsweg notwendig sind, umfasst die Beschäftigung mit den eigenen Interessen, Fähigkeiten und Werten sowie den Möglichkeiten, die der Ausbildungsstellenmarkt, die Hochschullandschaft und der Arbeitsmarkt generell bereitstellen.

Der Aufbau von Wissen über die eigenen berufsbezogenen Interessen, Fähigkeiten und Werte sowie des Wissens über die Ausbildungs- und Berufswelt ist ein längerfristiger Lernprozess, in dem die Informationssuche und die Verarbeitung erhaltener Informationen eine zentrale Rolle spielen.

Da es sich bei der Berufs- und Studienwahl um einen längerfristigen Prozess handelt, an dessen Ende idealerweise eine begründete Entscheidung steht, ist davon auszugehen, dass auf dem Weg an vielen Punkten eine Diskrepanz zu diesem Ideal festgestellt werden kann.

Der Weg zur begründeten Berufswahl- bzw. Studienwahl-entscheidung birgt einige Unsicherheiten und unter Umständen auch negative Erlebnisse.

Berufswahlkompetente Jugendliche

versuchen, aus eigenem Antrieb möglichst viele Informationen zu beschaffen, beziehen dabei unterschiedliche Quellen ein, betrachten sowohl Vor- als auch Nachteile von Alternativen, reflektieren Erfahrungen und suchen darauf basierend zielgerichtet nach neuen Informationen, bis sie zu einer Entscheidung gelangen, die sie vor dem Hintergrund ihrer eigenen Interessen, Fähigkeiten und Werte und den Realisierungsmöglichkeiten in ihrer Umwelt begründen und umsetzen können.

Berufswahlkompetente Jugendliche

können sich in einzelnen berufswahlrelevanten Situationen (z.B. Besuch im Berufsinformations-zentrum, Praktikum, Arbeit mit dem Berufswahlpass, Gespräche, Internetrecherche, Bewerbung) angemessen verhalten. Darüber hinaus sollte der Jugendliche über Strategien verfügen, um auch in schwierigen Situationen am Ball zu bleiben.

Berufswahlkompetente Jugendliche

können erkennen, dass es sich bei der Erarbeitung einer gut begründeten Entscheidung für eine Ausbildung oder ein Studium um einen längerfristigen Problemlöseprozess mit Teilzielen handelt. Sie haben Vorstellungen über die Facetten einer Berufswahl-entscheidung und wissen, dass unterschiedliche Wege zum Ziel führen können. Sie können konkret einschätzen, in welchem Bereich und wie weit sie jeweils von dem Ideal einer begründeten Ausbildungs- oder Studienwahlentscheidung entfernt sind bzw. wo sie in Bezug auf das Erreichen von Teilzielen (z.B. Zusage für einen Praktikumsplatz) stehen. Sie sind in der Lage, einen Plan aufzustellen, wie sie die identifizierten Defizite reduzieren können, und beziehen dabei unterschiedliche Realisierungsmöglichkeiten ein. Wenn sie auf Schwierigkeiten stoßen, sind sie in der Lage, Hilfen zu aktivieren. Sie führen ihren Plan aus und reflektieren das Ergebnis ihres Tuns in Hinblick auf ihr Ziel.

Der berufswahlkompetente Jugendliche

reagiert auf Schwierigkeiten aktiv und problemfokussiert und wartet nicht ab oder meidet das Problem. Er kann sich selbst beruhigen, indem er auf seine Stärken achtet und das Problem als vorübergehend und nicht allein durch ihn verursacht wahrnimmt. Er beißt sich nicht an Problemen fest und betont das Positive einer Situation. Er begreift Rückschläge als Lernmöglichkeit.

 

In den vier Phasen des Berufswahlprozesses werden die einzelnen Dimensionen als unterschiedlich bedeutsam angesehen:

Aus dem Berufswahlkompetenzmodell lassen sich Entwicklungsziele bzw. Standards ableiten, die jeder Schüler am Ende einer Entwicklungsphase erreicht haben sollte. Diese sind nachfolgend für jede Dimension – d.h. Wissen, Motivation und Handlung – und für jede Phase beschrieben.

Entwicklungsstandards: Dimension Wissen

Entwicklungsstandards: Dimension Motivation

Entwicklungsstandards: Dimension Handlung

Erklärung

Berufswahlkompetenz ist eine Fähigkeit, die es ermöglicht eine wohlbegründete Entscheidung für eine nachschulische Ausbildung zu treffen und auch bei ähnlichen Situationen in der weiteren beruflichen Entwicklung Anwendung findet.

Dimensionen

Zentral für die Berufswahlkompetenz ist demnach die Fragestellung, was Schüler*innen wissen und können sollten, um eine wohlbegründete Entscheidung für eine nachschulische Ausbildung zu treffen. Der Entscheidungsprozess ist dabei von der Besonderheit geprägt, dass er auf keinerlei Erfahrungen basiert und sein Erfolg sich erst nach dem Übergang in nachschulische Bildungswege zeigt.

Struktur

Das Berufswahlkompetenzmodell beschreibt vier Phasen, die Personen durchlaufen, die vor der Aufgabe stehen, eine wohlbegründete berufsbezogene Entscheidung zu treffen. Prinzipiell gibt es keine allgemeingültige Dauer für das Durchschreiten dieser Phasen. Es lässt sich auch kein Alter festlegen, in dem der Prozess beginnen oder abgeschlossen sein muss. Mit den Phasen wird allgemein ein Entwicklungsprozess beschrieben, der mehrere inhaltlich voneinander unterscheidbare Schritte von einem ersten Erkennen der Notwendigkeit eigenen Tuns und ersten Einsichten in eigene Interessen und Fähigkeiten bis zur Bewährung in einer neuen Situation, für die man sich entschieden hat, vorsieht.

Die vier Phasen sind:

Einstimmen

Erkunden

Entscheiden

Erreichen

In der ersten Phase steht die Bereitschaft zur Planung der eigenen Zukunft im Mittelpunkt.

Die zweite Phase ist dadurch gekennzeichnet, dass systematisch Situationen ermöglicht werden, die es erlauben, konkrete Erfahrungen mit der Berufswelt zu machen

In der dritten Phase wird die konkrete Planung des Übergangs zunehmend bedeutsam.

Die vierte Phase fokussiert darauf, dass sich Schüler*innen neuen Kontexten stellen sowie die im Prozess der schulischen Berufsorientierung erworbenen Selbststeuerungskompetenzen erfolgreich anwenden.

 

Berufswahlkompetenz enthält definitionsgemäß kognitive Anteile, die üblicherweise in Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten und Wissen bzw. Können aufgeteilt werden. Fertigkeiten und Können bündeln wir vorwiegend unter der aktionalen Komponente, sodass wir uns hier auf das berufs- und bildungsbezogene Denken, z. B. Erinnern, Vergleichen, Schlussfolgern, Planen und Entscheiden, beschränken.

SelbstwissenKonzeptwissenBedingungswissenPlanungs- und Entscheidungskompetenz
Die Wahl des richtigen Berufs setzt die Kenntnisse der eigenen Stärken und Schwächen sowie der eigenen Wünsche und Ziele voraus.Ohne Wissen über die Arbeits- und Berufswelt kann die Berufswahl nur spekulativ erfolgen.enntnisse über Arbeitsplätze und Berufsfelder, Wirtschaftszweige und Beschäftigungstrends reichen nicht aus, um den eigenen Berufseinstieg längerfristig zu planen und zu gestalten.onzept- und Bedingungswissen sind die Voraussetzungen dafür, um die eigene Entwicklung vorauszudenken und auch in Grenzen vorauszusehen und vorauszuplanen.

 

Motivation kann als eine weitere, besonders wichtige Dimension von Berufswahlkompetenz angesehen werden. Die Motivation, sich mit der Frage des eigenen beruflichen Werdegangs oder Lebenszielen zu beschäftigen, stellt eine große Herausforderung dar – insbesondere wenn diese Ereignisse noch in weiter Ferne liegen. Es zeigt sich jedoch, dass Motivation als Voraussetzung für die (schulische) Berufsorientierung essenziell ist. Wir unterscheiden folgende motivationale Aspekte:

 

BetroffenheitEigenverantwortungOffenheitZuversicht

Betroffenheit bedeutet, die eigene (berufliche) Zukunft zu antizipieren und die Bereitschaft, sich mit ihr auseinandersetzen zu wollen, d.h. eine Zukunftsperspektive zu haben und zu erkennen, dass es wichtig ist, darauf vorbereitet zu sein. Diese Dimension ist von zentraler Bedeutung im Berufswahlprozess.

Eigenverantwortung bzw. Kontrolle über das eigene Handeln zu besitzen, bedeutet die Überzeugung, die eigene Zukunft in der Hand zu haben. Charakteristisch sind interpersonelle Autonomie und Willensstärke, die zur Verantwortungs-übernahme für die eigene Lebens- und Berufsplanung führen.

Die Dimension der Offenheit ist definiert als Initiative des Individuums, einerseits berufliche Alternativen zu erforschen und andererseits persönliche Interessen, Fähigkeiten und Werte zu erkunden.

Die tatsächliche Umsetzung der eigenen Wünsche erfordert Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten, mit den Herausforderungen der Berufswahl umgehen zu können.

 

Die Vorbereitung der Entscheidung für einen zu den eigenen Bedürfnissen passenden nachschulischen Bildungsweg, sei es eine Berufsausbildung oder ein Studium, erfordert Aktivitäten des Einzelnen. Dazu müssen Informationen gesucht und ausgewertet werden. Dieser Suchprozess muss geplant und durchgeführt, ggf. gegen Ablenkungen abgeschirmt werden, dabei auftretende Probleme müssen überwunden und mögliche Rückschläge konstruktiv bewältigt werden. Im Einzelnen lassen sich die Facetten der Handlungserfordernisse folgendermaßen erläutern:

ExplorationSteuerungProblemlösenStressmanagement

Die Suche nach Informationen, die für eine wohlbegründete Entscheidung für den nachschulischen Bildungsweg notwendig sind, umfasst die Beschäftigung mit den eigenen Interessen, Fähigkeiten und Werten sowie den Möglichkeiten, die der Ausbildungsstellenmarkt, die Hochschullandschaft und der Arbeitsmarkt generell bereitstellen.

Der Aufbau von Wissen über die eigenen berufsbezogenen Interessen, Fähigkeiten und Werte sowie des Wissens über die Ausbildungs- und Berufswelt ist ein längerfristiger Lernprozess, in dem die Informationssuche und die Verarbeitung erhaltener Informationen eine zentrale Rolle spielen.

Da es sich bei der Berufs- und Studienwahl um einen längerfristigen Prozess handelt, an dessen Ende idealerweise eine begründete Entscheidung steht, ist davon auszugehen, dass auf dem Weg an vielen Punkten eine Diskrepanz zu diesem Ideal festgestellt werden kann.

Der Weg zur begründeten Berufswahl- bzw. Studienwahl-entscheidung birgt einige Unsicherheiten und unter Umständen auch negative Erlebnisse.